Barrierefreiheit und Zugänglichkeit sind zwei Begriffe, die oft synonym verwendet werden, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. Beide sind wichtig, um eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, die allen Menschen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Hintergründen, Teilhabe ermöglicht. Doch worin genau unterscheiden sie sich, und wie ergänzen sie einander? In diesem Blogartikel beleuchten wir die beiden Begriffe und ihre Relevanz für eine inklusive Gesellschaft, mit Fokus auf die gesetzlichen Grundlagen in der Schweiz.

Was ist Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit beschreibt den Zustand, in dem die gebaute Umwelt, Dienstleistungen, Produkte und Informationen so gestaltet sind, dass sie von allen Menschen ohne zusätzliche Hilfe genutzt werden können – insbesondere von Menschen mit Behinderungen. Es geht darum, physische, sensorische und digitale Barrieren abzubauen;
zum Beispiel indem
rollstuhlgerechte Zugänge, wie Rampen und Aufzüge vorhanden sind.
barrierefreie Websites gemäss den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) erstellt werden
oder Untertitel und Gebärdensprache für Videos verfügbar sind.
Gesetzliche Grundlage in der Schweiz: In der Schweiz ist die Barrierefreiheit im Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) geregelt. Gemäss Artikel 2 BehiG bedeutet Barrierefreiheit, dass Einrichtungen, Dienstleistungen und Informationen für Menschen mit Behinderungen „ohne unverhältnismässige Schwierigkeiten zugänglich und nutzbar“ gemacht werden. Ziel ist es, Diskriminierung aufgrund von Behinderungen zu verhindern.
UNO-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK): Die Schweiz hat die UNO-Behindertenrechtskonvention 2014 ratifiziert. Artikel 9 der UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, Massnahmen zur Identifikation und Beseitigung von Barrieren zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Verkehrsmitteln, Information und Kommunikation sowie zu Dienstleistungen zu gewährleisten. Dazu gehören gemäss UN-BRK sämtliche Lebensbereiche wie Bildung (Artikel 24) und Kultur (Artikel 30).
Was ist Zugänglichkeit?
Zugänglichkeit ist ein breiter gefasster Begriff. Er bezieht sich darauf, dass ein Raum, eine Ressource, ein Angebot oder eine Dienstleistung für eine bestimmte Zielgruppe erreichbar und nutzbar ist. Zugänglichkeit schliesst physische Barrieren ein, geht aber darüber hinaus und umfasst auch soziale, ökonomische und kulturelle Dimensionen. Sie ist für eine diverse Gesellschaft entscheidend. Zugänglichkeit umfasst beispielsweise
die Öffnungszeiten eines Museums, die für Berufstätige geeignet sind
bezahlbare oder ermässigte Eintrittspreise
oder Angebote in verschiedenen Sprachen, um kulturelle Vielfalt zu berücksichtigen.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Barrierefreiheit ist ein spezifischer Teilaspekt der Zugänglichkeit. Sie konzentriert sich auf die Beseitigung physischer, digitaler, kommunikativer oder sensorischer Barrieren, die Menschen mit Behinderungen hindern könnten. Bei baulichen Barrieren spricht man auch von Hindernisfreiheit.
Ein Museum hat barrierefreie Zugänge mit Rampen, taktilen Leitsystemen und Audioguides für Menschen mit Sehbehinderungen. Es ist barrierefrei.
Dasselbe Museum bietet Eintrittspreise, die sozial verträglich sind (KulturLegi), und vermittelt Inhalte in verschiedenen Sprachen. Es ist zugänglich.
Zugänglichkeit ist umfassender und multidimensional. Sie betrachtet auch finanzielle, soziale und kulturelle Faktoren, die die Nutzung oder Teilnahme beeinflussen können.
Ein Angebot kann barrierefrei, aber nicht vollständig zugänglich sein – oder umgekehrt. Ein Workshop mag beispielsweise kostenlos angeboten werden (zugänglich), ist aber nur über eine Treppe erreichbar (nicht barrierefrei).
Beispiel: Barrierefreiheit und Zugänglichkeit in der ginto-App
Die ginto-App ist ein gutes Beispiel dafür, wie Barrierefreiheit und Zugänglichkeit in der Praxis zusammenwirken können.
Barrierefreiheit: Die App ist so gestaltet, dass sie von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen genutzt werden kann. Zum Beispiel bietet sie eine intuitive Bedienung ohne komplexe Eingaben und unterstützt Screen-Reader für Nutzer*innen mit Sehbehinderungen. Damit ist sie digital barrierefrei.
Zugänglichkeit: Darüber hinaus sorgt die ginto-App dafür, dass Informationen über barrierefreie Orte wie Museen und öffentliche Einrichtungen leicht verfügbar sind. Sie hilft Menschen mit unterschiedlichen Nutzerprofilen, ihre Umgebung zu erkunden und informiert ab 2025 auch über inhaltliche Zugangshilfen wie Audiodeskription oder Angebote in Gebärdensprache.
Die Kombination aus barrierefreier Gestaltung der App selbst und der Bereitstellung zugänglicher Informationen macht ginto zu einem Vorbild für Inklusion in digitalen und physischen Räumen.
Es gibt noch viel zu tun
Die UN-BRK betont in Artikel 9, dass Barrierefreiheit ein grundlegendes Recht ist. Gleichzeitig fordert sie Zugänglichkeit im weiteren Sinne: Alle Menschen sollen die Möglichkeit haben, gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzunehmen – und dies betrifft auch kulturelle, soziale und wirtschaftliche Hindernisse. Die Konvention macht deutlich, dass Zugänglichkeit umfassender gedacht werden muss, um soziale Gerechtigkeit und Inklusion zu fördern.
Obwohl die Schweiz im Behindertengleichstellungsgesetz unter anderem den barrierefreien Zugang zum öffentlichen Verkehr geregelt und die UN-BRK ratifiziert hat, gibt es noch etliche Defizite. Beispielsweise sind nach wie vor viele Schweizer Bahnhöfe für Menschen, die im Rollstuhl, mit Rollator oder Kinderwagen unterwegs sind, nicht barrierefrei nutzbar, obwohl die gesetzliche Umsetzungsfrist 2024 abgelaufen ist (vgl. Positionspapier Inclusion Handicap vom Dezember 2023). Bei Umbauten von historischen Gebäuden wird die Situation jeweils mit der Denkmalpflege geprüft. Das Beispiel des Polit-Forums im Käfigturm in Bern zeigt, dass auch die Erschliessung durch einen Lift zu einer überzeugenden Lösungen für beide Seiten führen kann.
Fazit: Eine inklusive Gesellschaft braucht beides
Barrierefreiheit und Zugänglichkeit sind komplementäre Konzepte, die zusammenwirken, um eine inklusive Gesellschaft zu schaffen. Während Barrierefreiheit primär darauf abzielt, physische, digitale und sensorische Hindernisse zu beseitigen, berücksichtigt Zugänglichkeit darüber hinaus kulturelle, soziale und wirtschaftliche Faktoren.
Um die Ziele der UN-BRK zu erreichen und echte Inklusion zu fördern, müssen beide Begriffe in ihrer Gesamtheit betrachtet und in die Praxis umgesetzt werden. Museen, Kulturinstitutionen und öffentliche Einrichtungen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie haben die Chance, Vorbilder für eine Gesellschaft zu sein, in der Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern als Mehrwert gefeiert wird.
Quellen:
UNO-Behindertenrechtskonvention (2006) unter edi.admin.ch
Inclusion Handicap (2023), Positionspapier Umsetzung BehiG im ÖV